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zu «Wollust und Wohlklang»

«Seit jeher versucht der Mensch, die Lust in Worte zu fassen und zu beschreiben», so der Programmtext zum Konzert «Wollust und Wohlklang». Die Möglichkeiten dazu sind heute grenzenlos, und die Bilderflut ist entsprechend endlos. Wenn. Wieder einmal ein Shampoo im Fernsehen mit nackten Tatsachen beworben wird, scheint klar: Dem bewegten Bild gehört die Lust. Das war jedoch nicht immer so.

Dichtkunst und Lautenspiel

Ein Dichter auf einem Marktplatz, die Laute in der Hand und «unanständige» Texte im Kopf. Um ihn steht eine Menschentraube, die mal mit Gelächter und mal mit Pfiffen kundtut, was sie vom dargebotenen Schauspiel hält. So etwa wurde das Thema Lust im 16. und 17. Jahrhundert dargeboten. Ähnlich sieht das Bild aus, wenn Franziskus Abgottspon (Text) und Christian Hostettler (Liuto forte) in der Spiezer Schlosskirche auftreten. Abgottspon war bis 2001 als «Leiter Hörspiel und Unterhaltung» bei Radio DRS tätig, ‘Hostettler arbeitet neben seiner Konzerttätigkeit in der lnformationstechnologie. Sein Instrument ist der mittelalterlichen Laute nachempfunden, klingt jedoch viel kräftiger und farbiger. «Liuto forte» nennt sich das 800 Gramm schwere Tonwunder.

Jungfern und Mönchlein

Mit schierer Lust und stupender Fingerfertigkeit präsentierte das Duo frivole Texte zur Lautenmusik von Silvius Leopold Weiss. Von Poeten wie Paul Fleming (1609-1640) oder Johann Friedrich Riederer (1678-1743) stammten die vorgelesenen Passagen. Die Jahrzahlen verführen zum Schluss, dass da nicht sehr viel Aktualität drin stecken kann. Das Gegenteil war der Fall. Gewiss, Jungfernschaft bis ins hohe Alter dürfte heute weniger ein Thema sein – doch die anderen Episoden waren damals packend und sind es heute noch. Eine junge Frau, die ihre Mutter zur Sexualität befragt, eine Zufallsbegegnung, die zur Ehe führt, ein Mönchlein, das sein Zölibat bricht..., das sind Geschichten, die das Leben schrieb.

Christian Hostettler zupfte, streichelte, massierte und zähmte sein Instrument, bis der Funken aufs Publikum übersprang. Da wurde nicht gespielt und erzählt, da wurde genossen und gedichtet, gelitten und gelebt.

Kunstvolles Küssen

Selbst die Praxis der Liebeskunst kam bei aller Poesie nicht zu kurz – zum Beispiel in der knappen Anleitung zum genussvollen Kusse: «Nicht zu langsam, nicht zu schnelle, nicht ohne Unterschied der Stelle».

Franziskus Abgottspon machte dem Klischee vom unterhaltsamen Walliser alle Ehre. Mal flüsternd, mal donnernd trug seine volle Stimme, die alten Weisen bis in die hintersten Ritzen der Spiezer Schlosskirche. «Alles, was unsere Geister freut, entspringt aus Gegenwärtigkeit» - soviel zu Lust und Liebesspiel. Und was das illustre Künstlerduo angeht: Ihre Gegenwart sollte man sich nicht entgehen lassen.